Artenreiche Wiener Kleingärten

Thujenhecken, gepflegter Rasen und Giftspritze – so klischeehaft werden Kleingärten teilweise heute noch gesehen. Tatsächlich sind die heimischen Kleingärten jedoch artenreicher als gedacht, wie die in Wien durchgeführte mehrjährige Studie der AGES im Auftrag des ZV der Kleingärtner ergeben hat. 

Entdeckt wurden mehrere bedrohte Tierarten und als Wermutstropfen wurde festgestellt: Auch Blattpilze fühlen sich immer wohler. „Das Vorurteil, dass nur Thujen und Rasen gepflanzt werden und unsere Mitglieder nur mit der Giftspritze hantieren, ist damit wissenschaftlich widerlegt“, resümiert Präsident Ing. Wilhelm Wohatschek bei der vom Zentralverband der Kleingärtner und der AGES abgehaltenen Pressekonferenz.

Ein gutes Zeugnis stellt die 2016 in Auftrag gegebene Studie den Wiener Kleingärten aus: Die Parzellen sind wahre Oasen der Vielfalt. So konnten bei der wissenschaftlichen Untersuchung 391 Pflanzen- sowie 109 Wanzen- und 76 Zikadenarten nachgewiesen werden. Zugleich wurde ein bis dato unbekannter Blattfleckenpilz entdeckt.

Die AGES nahm für die dreijährige Studie Kleingärten in vier Wiener Klimagebieten unter die Lupe und stellte fest, dass z. B. Rosen, Tulpen und Lavendel am häufigsten kultiviert werden. Vielerorts findet man auch Obst, Gemüse und Kräuter. „Je mehr unterschiedliche Pflanzen es gibt, desto mehr Insekten finden einen Lebensraum“, so Swen Follak von der AGES fest. Dr. Gerhard Bedlan (AGES) gab dabei auch bekannt, dass in einem Kleingarten in Hietzing ein bisher weltweit unbekannter Blattfleckenpilz entdeckt und als „Asteromella forsythiae“ benannt wurde.

Pflanzen

In der Studie wurden insgesamt 373 Pflanzenarten/Gattungen aus 112 Pflanzenfamilien gefunden. Diese Pflanzenvielfalt hängt im Wesentlichen mit der Strukturvielfalt in den Kleingärten zusammen. Es existieren zahlreiche Nischen in den einzelnen Kleingärten, die einen Lebensraum für die unterschiedlichsten Pflanzenarten und Lebensformen (u. a. Stauden, Bäume, Sträucher, einjährige Pflanzenarten) bieten. Hervorgerufen wird die Pflanzenvielfalt auch durch das Einbringen von – häufig auch aus außereuropäischen, zum Teil subtropischen Ländern stammenden – Garten- und Zierpflanzen. Dazu kommt der Anbau von Nahrungspflanzen, wie Obst, Gemüse und Arznei- und Gewürzkräutern. Fast ein Viertel der kultivierten Pflanzen in den Kleingärten waren Nahrungspflanzen. In dieser Studie waren entsprechend artenreich „Liebhabergärten“, naturnahe Kleingärten und diejenigen mit einer hohen Nutzungsintensität.

Wanzen und Zikaden

Nachdem viele Zikaden und Wanzen an bestimmte Nahrungspflanzen gebunden sind, bedeutet eine hohe Pflanzenvielfalt auch eine hohe Wanzen-/Zikadenvielfalt. Folglich war aufgrund der hohen Pflanzendiversität in den beprobten Kleingartenparzellen, eine große Zahl an Wanzen- und Zikadenarten zu erwarten.

Des Weiteren zeigen unsere Untersuchungen, dass der Großteil der beprobten Kleingärten zahlreiche Nahrungspflanzen und Strata bzw. Habitate für Wanzen und Zikaden bietet, die Anzahl der Arten jedoch auch von der Gestaltung, der Lage und der Nutzungsart der Gärten bestimmt werden.

Es ist jedoch anzumerken, dass die vorliegenden Untersuchungen keinesfalls als vollständige Dokumentation der Wanzen- und Zikadenfauna der Wiener Kleingärten angesehen werden können, sondern eher eine Stichprobenerhebung darstellen. Wenn man jedoch bedenkt, dass im Projekt nur eine sehr kleine Fläche Wiens (0,15 % aller Kleingärten Wiens des ZV der Kleingärtner Österreichs) abgesucht wurde, kann insgesamt auf eine hohe Biodiversität in den insgesamt beinahe 24.965 Wiener Kleingärten geschlossen werden.

In der vorliegenden Arbeit wurden 17 % der Wanzen- und 25 % der Zikadenarten, welche in Wien bislang bekannt sind, nachgewiesen. Das sind jeweils 12 % aller in Österreich bekannten Wanzen- (Land- und Wasserwanzen) und Zikadenarten. Die nachgewiesenen Wanzenarten können 15 verschiedene Familien zugeordnet werden, das sind 83 % der in Österreich vorkommenden Landwanzenfamilien. Die nachgewiesenen Zikadenarten hingegen gehören zehn verschiedenen Familien an, was 71 % der in Österreich vorkommenden Zikadenfamilien abdeckt.

Phytopathogene Pilze

Neben den Blattfleckenpilzen, die durch sehr viele unterschiedliche Pilzgattungen und -arten verursacht werden, ist die größte Gruppe an Pflanzenpathogenen in den untersuchten Kleingartenanlagen die der Echten Mehltaupilze, gefolgt mit großem Abstand von den Rostpilzen. Bemerkenswert ist auch die geringe Anzahl an Falschen Mehltaupilzen, die für ihre Lebensweise mäßige Temperaturen, höhere Luftfeuchtigkeit und auch tropfbar flüssiges Wasser benötigen.

Echte Mehltaupilze lieben trockene und warme Bedingungen. So bemerkt RIEDL (1984) für Wien, dass parallel mit der Zunahme der Echten Mehltaupilze ein deutlicher Rückgang der Rostpilze festzustellen ist. Es erhebt sich die Frage, ob es gerade die veränderten Umweltbedingungen (Klimawandel), evtl. auch zunehmende Luftverschmutzung sind, die den Echten Mehltaupilzen neue Chancen einräumen.

Bemerkenswert ist auch die große Anzahl der verschiedenen Pathogene, vor allem die Erstfunde und die eher selten vorkommenden Arten, die ja doch in einem sehr kleinen Areal gemessen an der Gesamtzahl der Kleingärten des ZV der Kleingärtner und Siedler Österreichs gefunden wurden. Darüber hinaus ist die Zahl der Kleingartenparzellen und sonstigen Gartenbesitzer ja noch viel höher. Rechnet man die Daten hoch, so würden durchaus noch viel mehr interessante Arten und Details zu erheben sein.

Insgesamt wurden 126 verschiedene Pathogene gefunden, davon 19 eher selten vorkommende, zwei die aus wärmeren Gebieten zugewandert sind, ein Erstnachweis für Wien, drei Erstnachweise für Österreich sowie eine weltweite Erstbeschreibung eines neuen Pilzes sowie zwei verschiedene Hyperparasiten.

An 432 Pflanzen bzw. 104 verschiedenen Pflanzenarten wurde ein Befall durch phytopathogene Pilze, davon 166 verschiedene und zwei Hyperparasiten, festgestellt.

An 21 % aller aufgenommen Pflanzen wurden phytopathogene Pilze nachgewiesen. An 28 Nahrungspflanzenarten wurden 50 verschiedene phytopathogene Pilze und ein nichtparasitäre Krankheit gefunden sowie zwei verschiedene Hyperparasiten.

Was geschieht weiter?

Im Anschluss an die Pressekonferenz stellte Mag. Sylvia Wohatschek fest, dass es nun an uns liegt, diese Informationen entsprechend zu verwerten. Es sind bereits Maßnahmen in Planung, die ab Herbst schrittweise umgesetzt werden sollen.

So werden wir etwa die Ergebnisse der Studie ausführlicher im Rahmen einer Serie im „Kleingärtner“ präsentieren, verbunden mit praktischen Tipps, wie jeder einzelne Kleingärtner, jede einzelne Kleingärtnerin einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt im eigenen Kleingarten leisten kann.

Ebenso wird die Ausbildung der Fachberater komplett neu überarbeitet und es ist geplant ab dem Jahr 2020 Kurse für interessierte Kleingärtnerinnen und Kleingärtner anzubieten und die Bio-Diversität wird selbstverständlich ein wesentlicher Bestandteil aller Kurse sein.

Natürlich werden wir das Thema auch auf unserer im Relaunch befindlichen Homepage aufgreifen und auch der neue Blog wird die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner für das wichtige Thema der Artenvielfalt noch weiter sensibilisieren.

Den Anfang all unserer Bemühungen macht aber eine Studientagung der internationalen Kleingartenbewegung, die im August in Graz stattfinden wird, bei welcher das Thema Bio-Diversität und die Studie selbst mit Vertretern von Kleingartenverbänden aus Europa ausführlich diskutiert werden wird.

Wir sind uns der Verantwortung, die wir für unsere Umwelt haben sehr bewusst und wir können Ihnen versichern, dass die österreichische Kleingartenfamilie diese gerne und mit viel Engagement tragen wird.

Hier können Sie sich die Studie zur Biodiversität herunterladen.

Weitere Links:

ORF.AT – Wien

OTS-Meldung

Erhaltung und Förderung der Biodiversität in Kleingärten

Die Kleingärten können eine wichtige Rolle bezüglich Artenvielfalt spielen. Diese grünen Oasen bieten nicht nur Lebensraum für zahlreiche Pflanzenarten, sondern auch für Insekten und Kleintiere. Der Einfluss der Menschen ist aufgrund der meist intensiven Nutzung der Kleingärten sehr groß. Er definiert die Gartengestaltung und -pflege und somit auch die Zusammensetzung der Pflanzen- und Tierwelt. Deswegen ist es umso wichtiger, ein Bewusstsein für die Biodiversität in den Kleingärten zu schaffen.

Artenvielfalt im Garten fördern

Aufräumen wird schwer überschätzt – zumindest im Garten. Denn Unordnung fördert die Artenvielfalt. Wir Kleingärtner können aber noch mehr tun, um möglichst viele Nützlinge anzulocken. Das beginnt bei der Vielfalt der Insekten – natürlich gibt es da auch den einen oder anderen Schädling –, geht über Frösche und Kröten bis zum Igel und endet bei den Vögeln, die einen Naturraum wie unsere Gärten besiedeln können.

Der eigene Garten lässt sich schon mit einfachen Mitteln in eine Heimat für viele verschiedene Tierarten verwandeln. Zunächst kommt es dabei darauf an, mit der Auswahl der Pflanzen ein möglichst breites Angebot zu bilden.

Heimische Pflanzen

Es ist zu empfehlen, auf heimische Pflanzen zu setzen – und da sollte auch das eine oder andere fruchttragende Gehölz dabei sein. Thujen-Hecken haben auf Grund ihrer Anfälligkeit für neue Krankheiten und Schädlinge fast ausgedient, sie werden in letzter Zeit immer mehr gegen Kirschlorbeerhecken getauscht. Leider ist Kirschlorbeer extrem anfällig auf Mehltau, was diesen Tausch nicht unbedingt ratsam macht. Warum also nicht eine Wildfruchthecke aus Dirndlsträuchern, Felsenbirne und anderen heimischen Sträuchern.

Fremde Arten entkommen nur zu leicht aus dem eigenen Garten und breiten sich ungewollt aus – die Herkulesstaude ist so ein Beispiel. Sie ist eine jener Stauden, die ob ihrer phototoxischen Wirkung geradezu gefährlich ist.

Wobei Sie gerade bei Stauden und einjährigen Blumen darauf achten sollten, dass es möglichst über das Jahr verteilt Blüten gibt – da haben die Bestäuber etwas von. Für Wildbienen etwa pflanzt man Sonnenblumen, Salbei oder Thymian und lässt Lauch und Zwiebeln blühen.

Nicht gifteln

Auf Gift zu verzichten, ist ein wesentlicher Schritt in Richtung artenreicher Garten. Das ist heutzutage ja fast einfach geworden, schließlich gibt es für uns Kleinverbraucher kaum noch giftige Mittel zu kaufen. Wenn eine Invasion von zum Beispiel Blattläusen Ihren Lieblingsstrauch zu vernichten droht, kann man sich bis zum Eintreffen von genügend Nützlingen auch anders helfen. Und den paar Schnecken, die den eigenen Salat angreifen, kann man ebenfalls giftlos Herr werden.

Etwas Unordnung zulassen

Wie schon zu Beginn gesagt: Ein nicht aufgeräumter Garten ist oft der beste Artenschutz, den man haben kann. So dient ein liegengelassenes größeres Stück Holz in einer Gartenecke vielleicht einem Igel als Unterschlupf. Dort hat vielleicht auch der aufgeschichtete Rückschnitt von Bäumen und Sträuchern Platz – da freuen sich etwa der Zaunkönig und die eine oder andere Eidechse darüber. Und verblühte Sonnenblumen sowie andere Stauden, wenn sie nicht gerade von Mehltau oder sonstigen Pilzen befallen sind, müssen Sie nicht unbedingt abschneiden, Wildbienen mögen das.

Wenn Sie sich nicht dazu durchringen können zu viel Unordnung zuzulassen, können Sie auch einfach einen Bereich des Gartens als Wildgarten anlegen und den Rest klassisch instandhalten.

Also: Versuchen Sie, Ihren Garten nicht als äußeres Wohnzimmer zu sehen. Lassen Sie einmal hier und da etwas Laub liegen, lassen Sie verwelkte Stauden stehen und beobachten Sie die natürliche Entwicklung eher mit Interesse als mit Missfallen. Manchmal siedeln sich plötzlich interessante Tiere oder schöne Wildpflanzen an, die Sie nicht zuletzt durch ihren Anblick entlohnen.

Nisthilfen und Steinmauern schaffen

Die in Wien schon selten gewordenen Schwalben und Mauersegler nehmen Nisthilfen am Haus gerne an und sind dankbar, wenn Sie in einem größeren Untersetzer Wasser mit einem Batzen Ton vorfinden. Und auch den Fledermäusen können wir Kleingärtner Kästen bereitstellen.

Um einen Stieglitz in den Garten zu locken, muss es nur dessen Leibspeisen geben: Die Samen der stacheligen Karden und Insekten, die an Pflanzen saugen. Da der Großteil seiner Lebensräume in den vergangenen Jahren verschwand, ist auch der Bestand des Stieglitzes stark eingebrochen.

Eidechsen bietet man dagegen einen Lebensraum, indem man z. B. eine Trockensteinmauer baut oder einen teilbepflanzten Steinhaufen in sonniger Lage aufschichtet. Doch selbst wenn Sie alles richtig machen: Wenn Ihr Garten eine Insel inmitten toter Gärten ist, dann ist es schwierig, Eidechsen in den Garten zu bekommen.

Wenn Sie Schmetterlinge fördern wollen, dann genügt es zwar als Nahrungsquelle einen Schmetterlingsstrauch zu pflanzen, allerdings benötigen einige Arten im Raupenstadium (als Beispiel) etwa auch Brennnesseln als Futterpflanze.

Beitrag gegen Artenschwund

Mit diesen Tipps, die wir in den kommenden Monaten noch in vielen Bereichen vertiefen werden, lässt sich zumindest auf kleiner Ebene ein Beitrag zur Artenvielfalt leisten. Aber: Wir allein werden damit nicht den Artenschwund aufhalten, denn die Masse der Schäden findet woanders statt – nicht in unseren Gärten. Dennoch ist es wichtig sich zu engagieren, sich und die eigenen Kinder mit vielen verschiedenen Arten vertraut zu machen, denn man schützt nur das, worum man sich gekümmert hat.

Ein auf den ersten Blick wild erscheinender Garten, in dem sich Natur entfalten kann, gefällt nicht jedem. Aber Sie können so einen Garten längerfristig planen und anlegen, denn weder üppig wachsende Wildnis noch ein exaktes Abbild der Natur soll ein naturnaher Garten sein. Vielmehr sollte das Ziel sein, einen künstlichen Mikrokosmos zu schaffen, in dem Menschen, Tiere und Pflanzen miteinander in Einklang leben können – wobei ein Eigenleben durchaus erwünscht ist.

Die „Ordnung“ wird in so einem Garten eher behutsam hergestellt und die Pflege beschränkt sich daher auf das Notwendige. Und natürlich muss der Anblick auch die ästhetischen Ansprüche seiner Nutzer erfüllen, meint Ihr Redakteur.